Muss erst etwas schreckliches geschehen,
damit wir aufstehen und etwas unternehmen?
Ich kann euch garantieren,
so kann es nicht weiter gehen,
denn wenn wir nicht einsehen,
dass wir ein gewaltiges Problem haben,
werden unsere Seelen nur voll mit Narben.
Ich vergesse nie den Tag, da war ich neun oder zehn.
Meine Mutter ließ mich draußen nichts unternehm‘.
Es gab eine rechtsextreme Demo bei uns in der Stadt,
da sah ich die Angst in Mamas Augen, die setzte mich schachmatt.
Nie werde ich verstehen, wie man Andersdenkende oder -aussehende hassen kann,
denn Hass ist es, was uns zerstört.
Bei diskriminierenden Sprüchen heißt es „Das endet schon irgendwann“.
Ein Anschlag und plötzlich sind alle empört.
Wenn man bei Worten schweigt, wird es leichter für sie,
es in die Tat umzusetzen,
Zivilcourage ist das, worauf ich hinaus will,
wenn wir es nicht schaffen, uns für den Gegenüber einzusetzen,
werden sie es schaffen uns wegzuhetzen.
Und wir sollten es mehr als nur schätzen,
dass es Menschen gibt, die sich mit dem Thema auseinandersetzen,
sich um unser Wohlergehen sorgen, und versuchen jedem das Gefühl zu geben geborgen,
zu sein. Und ich spreche nicht nur für mich,
ich denke, ich spreche für jeden,
der nur einmal diskriminiert wurde, und wenn auch nur für eine Sekunde, angst hatte um sein Leben.
Ich spreche für die Opfer von rechtsextremen Anschlägen, beginnend bei Mahmud Azhar, Andrzej Frątczak und Amadeu Antonio Kiowa 1990,
bis hin zu Marwa El-Sherbini 2009,
und Sevda, Chousein, Selcuk, Giuliano, Can, Janos, Armela, Sabine und Dijamant, München 2016,
Jana Lange und Kevin Schwarze, Halle 2019
und Gökhan, Ferhat, Hamza, Mercedes, Sedat, Kalojan, Vili, Fatih, Said und Gabriele, Hanau 2020.
Der Grund für ihre Tode? Weil sie nicht in das Bild von rechtsextremen Schweinen passen.
Sie konnten nichts dafür, dass es Menschen gibt, die nicht menschlich sind
und anfangen auf Massen mit Waffen zu schießen – ja sie sind blind.
Blind vor Hass, vor Komplexen und ja, auch vor Dummheit.
Und es passiert immer wieder, von Zeit zu Zeit.
Das sind viele Namen, die ich genannt habe, aber die Liste ist noch lang.
So lang, wie sie hätte nie sein dürfen.
Jeder schmeißt um sich mit Vorwürfen, ob wir das tragen dürfen oder gezwungen
sind, einen Teil der Identität abzulegen. Wieso lässt man nicht jeden sein Leben leben?
Wieso muss es einen Unmenschen stören, dass ich ein Kopftuch trage? Oder mich verschleiere?
Oder einen Bart trage, schwarze Haare habe, dunkler bin als er und warum verdammt
nochmal muss er mich dafür umbringen, weil ich so bin, wie ich bin?
Wir alle sind Deutschland. Egal ob ich Meyer heiße oder Öztürk – Welkow oder Schmidt.
Lasst uns hier jetzt setzen diesen Schnitt,
den wir schon hätten langst setzen sollen.
Auch wenn sie es nicht wollen,
wir alle sind Deutschland. Nur gemeinsam, Hand in Hand.